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Gastbeitrag: Hochschulen bestehen aus mehr als ihren Präsidien | 16.12.2015

Mit jeder Novellierung eines Gesetzes, das die eigene Umgebung betrifft, verbindet man die Hoffnung, dass sämtliche eigene Wünsche und Forderungen in ihr umgesetzt werden. Am Ende steht immer ein Kompromiss, so auch beim Hochschulgesetz, welches in diesen Tagen verabschiedet wird. In einem fairen Beratungsverfahren seitens der Fraktionen war es möglich, die eigenen Belange vorzutragen. Umso mehr wundert uns als Landesstudierendenvertretung der derzeitige Kurs der Hochschulpräsidien, der den Zusammenhalt aller Gruppen an den Hochschulen gefährdet. Hinter der Eskalation der Präsidien steht nur ein Bruchteil ihrer eigenen Hochschulen. Wir Studierende begrüßen wie viele andere die zuletzt verkündeten Änderungsanträge der Regierungskoalition ausdrücklich. Die Hochschulen in Schleswig-Holstein gehen damit endlich einen Schritt in Richtung einer modernen und selbstbestimmten Struktur und
somit weg vom veralteten System der 70er Jahre.

“Gleiches Stimmrecht für alle” gilt fortan im erweiterten Senat, was die Hochschulstruktur in Schleswig-Holstein ein Stück gleichgestellter und demokratischer macht. Dies als “bürokratische Hürde” zu sehen, wie es die Landes-Rektoren-Konferenz tut, sollte nicht zur maßgeblichen Bewertung eines (basis-)demokratischen Gremiums werden. Im Gegenteil: Der erweiterte Senat erfüllt eine wichtige Funktion als starke Repräsentation aller Gruppen der Hochschule. Er legt den Grundstein zur paritätischen Besetzung aller Hochschulgremien. Daher sollten seine Kompetenzen noch umfassender sein als geplant. Alle nicht-professoralen Mitglieder fordern eine solche Reform der Gremienstrukturen schon seit Langem. Die Präsidien verkennen dieser Tage den lauten Ruf der Mehrheit ihrer Hochschulen nach demokratischer Gleichberechtigung. Warum eigentlich?

Wir begrüßen die Abschaffung der physischen Anwesenheitspflicht in Vorlesungen und Seminaren. Es geht hierbei weder um das Ende der Präsenzhochschule noch um Praktika, Exkursionen, praktische Übungen, Sprachkurse oder vergleichbare Veranstaltungen, welche von der Aussetzung der Anwesenheitspflicht gar nicht betroffen sind. Die vorgebrachte Argumentation von Professor Reinhart scheint damit hinfällig. Überhaupt geht es um etwas Anderes: Haltung. Haltung gegenüber Studierenden. Ja, wir sind “unverzichtbare Akteure im Prozess der wissenschaftlichen Erkenntnis” und wir sind dies gerne und freiwillig. So freiwillig, wie wir uns bewusst entschieden haben, zu studieren. Ohnehin wird gern verkannt, dass schon jetzt in einigen Lehrveranstaltungen keine Anwesenheitspflicht besteht. Dort muss kein Lehrender vor leeren Kursen stehen. Wer dies befürchtet, unterstellt Studierenden, nur zur Pflichterfüllung an
der Hochschule zu sein. Dieses Bild von Studierenden ist unverschämt, wenn sonst bei jeder Gelegenheit betont wird, wie wichtig heterogene Hochschulen, ehrenamtliches Engagement und die Vereinbarkeit von Familie und Studium sei. Wenn Professor Reinhart Anwesenheitspflichten als Schutzmechanismus vor “dem freien Markt” versteht, ignoriert er gleichzeitig, dass die unzureichende Struktur der Studienfinanzierung in Deutschland das Jobben neben dem Studium geradezu erzwingt. Ca. 63% aller Studierenden müssen neben Vorlesungen, Hausarbeiten und Klausuren einer Tätigkeit nachgehen, um überhaupt studieren zu können. (20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks). Übrigens, viele der lauten Kritiker aus den Reihen der Landes-Rektoren-Konferenz haben selbst ohne Anwesenheitspflicht studiert. Wir schaffen das schon auch!