AfD-Verbot jetzt!
Mit großer Sorge blicken wir dieser Tage nach Berlin, wo die „Alternative für Deutschland“ (AfD) mit über 24 Prozent der Sitze im neuen Bundestag vertreten ist.1
Bildungs- und Wissenschaftspolitik
Die AfD verfolgt unter anderem eine wissenschaftsfeindliche Politik. So schreibt sie in ihrem Grundsatzprogramm zwar, dass sie sie für das Humboldt’sche Bildungsideal und eine Wissenschaft „frei von ideologischen Zwängen“ einsetze2, wobei die AfD extrem kapitalistisch, gewerkschaftsfeindlich, rückschrittlich familienorientiert, damit einhergehend frauenfeindlich und in Teilen fundamental christlich-religiös ist.3
Auch das Humboldt’sche Bildungsideal selbst sollte nicht unkritisch gesehen werden. Unter der Federführung Humboldts entstand das dreigliedrige Schulsystem, das der Reproduktion der Eliten dienen sollte. Gleichzeitig widerspricht das Humboldt’sche Bildungsideal dem humanistischen Bildungsideal, dass Bildung nicht mit Berufsausbildung vermischt werden soll. Die AfD sieht Bildung als Mittel zum wirtschaftlichen Zweck. Wenn sich die AfD auf das Humboldt’sche Bildungsideal bezieht, scheint ein elitenförderndes Bildungsverständnis im Vordergrund zu stehen.4
Darüber hinaus fordert die AfD eine Rückkehr zu Diplom, Magister und Staatsexamen und spricht sich gegen die Bologna-Reform aus.5 Eine Kritik am derzeitigen Bachelor-Master System ist durchaus berechtigt. Jedoch sollten aus emanzipatorischer Perspektive dabei Aspekte wie eine individuelle Studienplanung oder die Klausurenflut im Vordergrund stehen; sollte wissenschaftliche Bildung gefordert werden, anstatt eine mangelnde Verwertbarkeit der Abschlüsse am Arbeitsmarkt anzuprangern.6 Ein Bachelor oder Master beschreibt heute bis ins kleinste Detail, was die Leute studiert haben und berechtigt damit Absolvent*innen, sich ohne große Genehmigungsverfahren auf Stellen im europäischen Ausland zu bewerben.7
Zusätzlich sollen Hochschulen das Recht erhalten, Bewerber*innen nach eigenen Kriterien auszuwählen8, und es sollen Studiengebühren für Studierende aus Nicht-EU Staaten, wie es sie bereits in Bayern gibt, erhoben werden.9 Die Forderung der AfD nach Studiengebühren hat wenig mit der von ihr beschriebenen Angst vor einem gesunkenen Niveau gemein, sondern folgt eher dem Versuch, eine mehrgliedrige und sozial ungerechte Bildungslandschaft zu erhalten.10 Dabei ist die Studiengebührenfreiheit ein wichtiger Pull-Faktor für deutsche Hochschulen. Die Einführung von Studiengebühren hätte zur Folge, dass bestehende Auslastungsprobleme, insbesondere in den von der AfD hochgepriesen Ingenieurswissenschaften, weiter verschärft werden würden.11
Die Bildungspolitik der AfD bedeutet den Einstieg in die Provinzialisierung des deutschen Hochschul- und Wissenschaftssystems. Für ein global verflochtenes Deutschland, dessen Wirtschaft auf Export setzt, wäre eine solche Renationalisierung schädlich.
Die AfD fordert in ihrem Programm zudem eine grundsätzliche Abschaffung von Gender-Forschung sowie den „Wildwuchs an Studienfächern in Geistes- und Sozialwissenschaften kritisch auf Wissenschaftlichkeit zu prüfen“.12
Dabei gibt es für die Existenz von Gender-Studies inhaltliche Gründe (beispielsweise Erforschung des Gender-Pay-Gaps). Geschlechterforschung wird die Wissenschaftlichkeit abgesprochen. Die AfD bietet aber keine Transparenz, was (eigene) Kriterien zur Wissenschaftlichkeit anbelangt. Die AfD ignoriert bewusst die Vielfalt und die Interdisziplinarität geschlechtertheoretischer Forschungsansätze. Diese Ablehnung der Gender Studies seitens der AfD und die Forderung nach ihrer Abschaffung muss in einem breiteren antifeministischen und wissenschaftsfeindlichen Kontext betrachtet werden.13
Des Weiteren unterstellt die AfD dem Landesbeauftragten für politische Bildung, ebendiese und die Erinnerungskultur einseitig zu gestalten, eine „unselige Fokussierung auf sachfremde Ideologieprojekte wie Gender, Klima oder Massenmigration“ und fordert stattdessen „echte Ausgewogenheit in der politischen Bildung“.14
Die AfD-nahe Desiderius Erasmus Stiftung ermöglicht dagegen politische Bildungsarbeit, Studien und die finanzielle Unterstützung auch extrem rechter Studierender und Promovierender.15
Allgemeine Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung
Die AfD fordert eine Beschneidung der Sozialsysteme und eine stark marktorientierte Steuer-, Sozial- und Wirtschaftspolitik.16 Die Wähler*innen der AfD wären von den Folgen der angestrebten Steuer-, Wirtschafts- und Sozialpolitik selbst negativ betroffen.17
Die AfD ist gegen Schwangerschaftsabbrüche und spricht Frauen das Recht ab, selbst über ihren Körper zu entscheiden.18 Darüber hinaus leugnet oder bagatellisiert die AfD eine strukturelle Benachteiligung der Frau gegenüber dem Mann, wie z.B. geringerer Lohn für gleiche Arbeit.19 Die AfD thematisiert Gewalt gegen Frauen nicht in ihren Wahlprogrammen und instrumentalisiert geschlechtsspezifische Gewalt, um gegen Muslime und Geflüchtete zu hetzen.20 Sie fordert zudem die Streichung von LGBTQI*-Themen aus den Schullehrplänen.21
Die AfD hat kein Interesse an demokratischen Prozessen und hindert diese aktiv, siehe z.B. in Thüringen: Der AfD-Alterspräsident weigerte sich, die Beschlussfähigkeit des Landtags festzustellen. Die AfD wollte den Eklat.22,23
Eine Möglichkeit der Gefahr zu begegnen, die durch die AfD für die freiheitliche demokratische Grundordnung ausgeht, ist ein Parteiverbot. Auch wenn ein Parteiverbot rechtsextremes Gedankengut nicht verbieten kann, so würde es doch den Risiken begegnen, die von der Existenz der AfD mit ihren verbandsmäßigen Wirkungsmöglichkeiten ausgehen.24 Es würde den Machtzuwachs der Partei stoppen, die organisierte Verbreitung ihres rechtsextremen Gedankenguts schwächen und letztendlich die durch sie ausgehende Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung abwenden.25 Die Voraussetzungen für ein AfD-Parteiverbot sehen wir als gegeben an.26
Vor diesem Hintergrund halten wir die Einleitung eines Parteiverbotsverfahrens gegen die AfD nicht nur für legitim, sondern für dringend geboten. Wir rufen Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung auf, ein solches Verfahren einzuleiten.
- Siehe https://bundeswahlleiterin.de/bundestagswahlen/2025/gewaehlte.html, abgerufen am 17.03.2025 ↩︎
- AfD Grundsatzprogramm, Seite 52, abgerufen am 13.12.2024: https://www.afd.de/grundsatzprogramm/#8 ↩︎
- Blickpunkt-wiso.de ↩︎
- Blickpunkt-wiso.de ↩︎
- Afd-sh.de, Programm zur Landtagswahl 2022, S. 59 ↩︎
- Blickpunkt-wiso.de ↩︎
- wiwo.de ↩︎
- Afd-sh.de, Programm zur Landtagswahl 2022, S. 62 ↩︎
- Afdbundestag.de (Michael Kaufmann: Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer beseitigen Fehlanreize) ↩︎
- Blickpunkt-wiso.de ↩︎
- Wiwo.de ↩︎
- Afd-sh.de, Programm zur Landtagswahl 2022, S. 60 ↩︎
- Beljan, 2024: S: 118 ↩︎
- AfD-sh.de, Programm zur Landtagswahl 2022, S. 63 ↩︎
- Nd-aktuell.de, 2022 „Es geht um echte Zerstörung“ ↩︎
- Siehe https://www.diw.de/de/diw_01.c.879742.de/publikaWonen/diw_aktuell/2023_0088/das_afd-paradox die_hauptleidtragenden_der_afd-poliWk_waeren_ihre_eigenen_waehler_innen.html, abgerufen am 20.03.2025 ↩︎
- Ebd. ↩︎
- Ebd. ↩︎
- Ebd. ↩︎
- Aufstehen gegen Rassismus. AfD-Faktencheck. https://www.aufstehen-gegen-rassismus.de/fakten-afd-versprechen/, abgerufen am 20.03.2025 ↩︎
- Ebd. ↩︎
- Siehe https://verfassungsblog.de/demokratische-diskontinuitat/, zuletzt abgerufen am 24.03.2025 ↩︎
- Siehe https://live.thltcloud.de/Veranstaltung/Plenarsitzung_2024_1/20240926, zuletzt abgerufen am 24.03.2025 ↩︎
- Cremer, H. (2023). Warum die AfD verboten werden könnte: Empfehlungen an Staat und Politik. (Analyse / Deutsches Institut für Menschenrechte). Berlin: Deutsches Institut für Menschenrechte. https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-86869-1 ↩︎
- Ebd. ↩︎
- Ebd. ↩︎
Image sources
- Audimax Vorplatz: Foto von Julian Schüngel